Sonntag, 19. Februar 2012

Sprechen Sie "Giraffe"?

Keine Angst, liebe Leserinnen, liebe Leser, diese Frage entstand nicht aus einem abklingenden Karnevalsrausch, sondern ist durchaus ernst gemeint. Doch ich gebe zu, dass sie für nicht Eingeweihte durchaus irritierend sein kann.

(c) Janine Grab-Bolliger/Bearbeitung Joujou/pixelio.de

Wir Menschen sind überwiegend gesellschaftliche Wesen und unser klassisches Kommunikationsmittel ist die Sprache, die Sprache des Körpers ("Sie können nicht nicht kommunizieren" (Paul Wazlawik)) und die Sprache der Worte.

Mit letzterer wollen wir uns heute mal etwas näher befassen.

Wir reden mehr oder weniger viel miteinander, manchmal leider ohne wirklich Acht zu geben, auf das was wir sagen. Damit meine ich nicht,den Inhalt im wörtlichen Sinne. Natürlich weiß ein gesunder Mensch, was er da im Gespräch von sich gibt. Ich beziehe mich hier auf folgende Unterscheidung: Teilen wir mit, was wir beobachten oder verfallen wir nicht schnell in die Interpretation des Beobachteten?

Doch genau das kann sehr entscheidend für das Gelingen und Fortführen der zwischenmenschlichen Kommunikation sein. Spüren Sie selbst einmal nach, wie die folgenden Aussagen auf Sie wirken:

"Du bist ein schlechter Zuhörer!"
"Ich sehe, dass Du in ein Buch schaust, während ich mit Dir spreche"

Sollte jemand Ihnen die erste Aussage "an den Kopf werfen", so werden Sie womöglich dazu tendieren, sich zu erklären und/oder zu rechtfertigen, warum dies nicht so ist. Diese Aussage ist beurteilend und muss überhaupt nichts mit der Realität zu tun haben. Wahrscheinlich werden Sie sich dabei lediglich "angeklagt" fühlen.

Die zweite Aussage ist eine reine Beobachtung und ihr ist im Grunde genommen nichts hinzu zu fügen. Sie enthält keine Beurteilung und keine Anklage. Wenn Sie diese Aussage formulieren, sprechen Sie nur von sich.

Marshall Roesnberg hat aus solchen Beobachtungen die so genannte beziehungsbasierte Kommunikation (auch gewaltfreie Kommunikation) entwickelt, die sich vereinfacht so darstellen lässt:

Ich spreche so ehrlich wie möglich meine Beobachtungen, Gefühle, Bedürfnisse und Bitten aus.

Die Giraffe wurde als Symbol für die Sprache gewählt, weil sie von den Landtieren das größte Herz hat; somit bedeutet diese Sprache, dass wir mit dem Herzen sprechen, das heißt mit unseren Bedürfnissen und Gefühlen.

Rosenberg hat ein 4-Schritte-Modell entwickelt, das uns hilft, unsere Gespräche einfühlsam und verbindend zu führen.

  1. Schritt: Beobachtung - Was ist geschehen? Worauf beziehe ich mich? Was habe ich gesehen, gehört?
  2. Schritt: Gefühl - Wenn ich das sehe/höre, wie geht es mir dann?
  3. Schritt: Bedürfnis - Was ist mir in dem Moment wichtig?
  4. Schritt: Bitte/Handlung - Was kann der/die andere konkret tun, um mein Bedürfnis zu erfüllen?
Beispiel:
Wenn ich das Geschirr im Spülbecken sehe, dann bin ich frustriert, weil es mir wichtig ist, dass alle etwas zum Haushalt beitragen. Bitte wasche das Geschirr jetzt ab. O.K.?
Wenn ich die Berge an Akten auf meinem Schreibtisch sehe, dann bin ich frustiert, weil ich meine Arbeit gewissenhaft und pünktlich erledigen möchte. Bitte unterstütze mich bei der Setzung von Prioritäten.

Bitte beachten Sie, bei der Äusserung von Gefühlen auch wirklich echte Gefühle zu äussern:
"Ich bin traurig" ist ein echtes Gefühl. "Ich fühle mich manipuliert" ist ein Pseudo-Gefühl; obwohl die Aussage das Wort "fühle" enthält, wird hier das Verhalten des anderen interpretiert und bewertet.

Diese Art der Kommnikation hilft bei Konflikten Spannungen abzubauren. Dies aus einem wichtigen Grund heraus: die Kontrahenten sprechen ihre persönlichen Gefühle und Bedürfnisse aus und nehmen dem Konflikt damit die Schärfe. Selbstredend ist die Methode ebenfalls sehr gut geeignet, Partnern, Kollegen oder Mitarbeiter ein Feedback zu Verhaltensweisen zu geben (auch bei notwendiger Kritik).

Wie immer bedarf es der Übung, umso mehr, wenn Sie sie bisher wenig auf Ihre Art zu Kommunizieren Acht gegeben haben. Vielleicht versuchen Sie es zunächst vor wichtigen Gesprächen, in dem Sie sie Ihre Beobachtungen, Gefühle und Bedürfnisse nach dem oben beschriebenen Muster schriftlich festhalten und daraus ganz konkret Ihre Bitten formulieren. Es gibt Ihnen immer wieder die Gelegenheit, Ihre Aussagen zu überdenken und zu korrigieren, bis Ihnen alles "in Fleisch und Blut" übergeht.

Haben Sie auch hier vor allen Dingen Geduld mit sich! :-)

Mehr zu dieser Thematik finden Sie hier. Übungen zur Gewaltfreien Kommunikationen finden Sie hier!

Herzliche Grüße
André Leyens