Anker im Wedeler Hafen (c) Gabriele Planthaber/pixelio.de |
Nachgewiesenerweise können wir uns diesem Effekt nicht entziehen, weshalb es Sinn macht, ihn kennen zu lernen und nutzbar zu machen.
Zunächst noch ein paar Worte zum Prozeß. Was passiert mit uns?
Wie schon beschrieben, orientiert sich unser Gehirn, mangels "Erfahrungswerte", an beliebige Werte. So wurden Menschen gebeten, Ihre Telefonnummer aufzuschreiben. Davon dann falls nötig die ersten Ziffern zu streichen, so dass nur noch 4 Ziffern übrig bleiben (so wurden unterschiedlich lange Telefonnummern "gleichgeschaltet"). Anschließend bat man sie die Anzahl der Personen zu schätzen, die einen bestimmten Beruf in ihrer Stadt ausüben (zB. Anwalt, Arzt, Fnanzdienstleister) zu schätzen. Die Personen mit der "höheren" Telefonnummer nannten vergleichsweise auch höhere Zahlen für die Berufstätigen... obwohl die eine Zahl (absolut) gar nichst mit der anderen zu tun hat.
Die Psychologen Kahnemann und Tversky machten bereits 1974 folgendes Experiment: Sie fragten die Versuchspersonen nach der Zahl afrikanischer Staaten in der UNO, während sie den Versuchsleiter dabei beobachte, wie er ein Glücksrad mit Zahlen zwischen 0 und 100 drehte. Auch hier kam folgendes Eregbnis heraus: auf hohe Zahlen folgten hohe Antworten, obwohl die Probanten ja nun wussten, dass zwischen den Zahlen keinerlei Zusammenhang bestand.
Hier greift in allen Fällen die Macht der Gewohnheit, wie wir sie schon an anderer Stelle beschriben haben. Wir gewöhnen uns an die "Werte", die uns vorgestellt werden, seien sie nun belegt oder beliebig und leiten daraus unser späteres Handeln ab!
Werfen Sie also bei Ihrer nächsten Gehaltsverhandlung einige große Zahl in den Raum (Beachte: sie muss nicht im Zusammenhang mit dem eigentlichen Thema stehen). Ihr Chef wird tendenziell eher bereit sein, Ihre "großen" Gehaltserhöhung zuzustimmen. :-) ... Es kommt doch zumindest auf einen Versuch an, oder?
Die Ankerheuristik führt uns zu einem weiteren Phenomen, der "Verfügbarkeitsheuristik". Wir treffen oft Entschedund, ohne eine Statistik zu kennen, oder können eine solche nicht rational nutzen. Wir ersetzen demnach die statistischen Daten durch unsere Erinnerung. Anders gesagt: woran wir uns leicht erinnern, das halten wir für wahrscheinlicher als das, woran wir uns schwer erinnern. Die Betonung liegt auf "leicht" und nicht auf "wie oft"...
In Spielhallen mit vielen Automaten ist es leichter zu beobachten, dass ein Spieler gewinnt, und so glauben die Besucher unbewusst eher an einen Gewinn und geben tendenziell mehr Geld aus als in kleineren Spielhallen. Dies könnte auch erklären, warum Menschen immer noch weiter rauchen, obwohl sie ja durch Werbe- und Aufklärungskampagnen genau wissen, dass sie das Rauchen gesundheitlich stark schädigen kann (es steht ja mittlerweile sogar auf den Verpackungen!). Aber die Erinnerung daran, wie jemand an Lungenkrebs oder Herzinfarkt vor ihren Augen stirbt ist eher schwerer, als die Erinnerung an einer Umweltkatastrophe, an einen Flugzeugabsturz, oder ähnlichem. Umgekehrt hat man wiederum feststellen können, dass Ärzte, die tagtäglich mit solchen Patienten zu tun haben, eher nicht mehr rauchen!
Wir können wir uns diesen Effekt nun für den Alltag nutzbar machen?
- Meiden Sie "bad news"! Befassen Sie sich mit den schönen Dingen des Lebens. So werden Sie sich zu einem bestimmten Zeitpunkt leichter an Gutes als an Schlechtes erinnern und somit unbewusst Ihre Entscheidungen durch die Verfügbarkeit guter Dinge beeinflussen.
- Wollen Sie etwas in Zukunft vermeiden oder sich etwas lästiges abgewöhnen, so konfrontieren Sie sich bildhaft immer wieder mit dem Sachverhalt, den Sie abegen möchten. Wollen/müssen Sie also abnehmen, so hängen Sie sich das Bild eines fettleibgen Menschen an die Kühlschranktür...
- Stehen wichtige Entscheidungen oder Termine an, so denken Sie vermehrt an vergangene Erfolgserlebnisse. So werden Sie das Gelingen Ihres Vorhabens für wahrscheinlicher halten...
In diesem Sinne, viel Spaß bei Ihrer persönlichen "Heuristik"!
Ihr
André Leyens