Samstag, 13. Juli 2013

Ein keiner Junge... Eine wahre Geschichte!



Neugierde (c) Christian Seidel  / pixelio.de
Der kleine Junge war in dieser Nacht immer wieder wach geworden. Im Schlafzimmer seiner Eltern brannte auch zu dieser später Stunde noch Licht. Seine Mutter ging nervös umher, seinen Vater hörte er vor Schmerzen stöhnen…

Er traute sich nicht, sich zu bewegen oder gar zu melden. Irgendwie spürte er wohl, dass dies in diesem Augenblick nicht angebracht war. Womöglich ging es seiner kleineren Schwester, die ihr Zimmer jenseits des Elternschlafzimmer hatte, genauso.

Papa war schwer krank, das wusste er sehr wohl mit seinen gerade 7 Jahren. Aber was es war, das seinen Vater plagte, das wusste er nicht. Zu dieser Zeit hatten Kinder eben zu schweigen, wenn sich die Großen unterhielten. Ähnlich verhielt es sich mit den Dingen, von denen Eltern meinten, das sie die Kinder nichts angehen. Und so hatte man ihn nicht aufgeklärt, wiees um seinen Vater stand… Lediglich ruhig und brav sollte er sein, immerzu ruhig und brav… das hatte man ihm den ganzen Tag über eingebläut.

Der kleine Junge hatte Angst!

Plötzlich überschlugen sich die Ereignisse und es wurde voll im Haus. Der Hausarzt war erst vor ein paar Minuten eingetroffen und schon kamen auch schon zwei Männer die Treppe hoch…

Papa kommt ins Krankenhaus… und deine Schwester und Du geht zu den Nachbarn. Ein paar wenige Worte und schon war Mama weg. Der kleine Junge hörte nur noch, wie man seinen Papa mühsam auf einem Stuhl durch das enge Treppenhaus hinuntertrug und dann den Heulton der sich entfernenden Ambulanz.

Seine kleine Schwester und er kamen tatsächlich zu den Nachbarn, eine alte Dame, die alleine mit ihrer Tochter lebte. Sie wurden in einer kleinen Kammer unterm Dach verfrachtet und auch dort waren sie alleine… Der kleine Junge nahm seine Schwester in den Arm, die die Lage noch weniger verstand als er selbst.

Doch eins wusste er ganz plötzlich… und er sagte es auch seiner Schwester, ohne lange zu überleben: Papa wird nicht mehr wieder kommen….. Wahrscheinlich war ihm gar nicht bewusst, was er da  gesagt hatte… sie schliefen unruhig ein.

Der nächste Tag begann wie gewohnt: Aufstehen, waschen und anziehen, dann ein schnelles Frühstück – die Nachbarin verstand keinen Spaß und hatte nichts übrig für Trödeleien am Tisch - und schon sollte es zur Schule gehen… doch da klingelte es an der Tür, genau in dem Moment wo der kleine Junge mit seiner Schwester aufbrechen wollte.

Er riss die Haustür voller Vorfreude auf, vielleicht war es ja Papa… Es war sein Bruder, der Patenonkel des kleinen Jungen.

Ich muss zur Schule, es ist schon spät!, rief er noch. Doch sein Patenonkel hielt ihn auf: Du brauchst heute nicht zur Schule, dein Papa ist tot!, so die knappen Worte seines Patenonkels.

Danach, nur noch Tränen….

Diese Geschichte ereignete sich in der Nacht vom 12. auf dem 13. Oktober 1970.

Die nächsten Tage durchlief der kleine Junge eine Odyssee von einem Nachbarn zu anderen, von diesen Freunden der Familie zu jenen Freunden. Seiner Schwester ging es genauso… Nur eine Person sahen beide kaum: ihre Mutter, die von den Ereignissen überfordert, komplett neben sich stand. Mit ihnen redete auch keiner; auch hier wurden sie immer außen vor gelassen.

In der Schule sprach der Lehrer zu der Klasse und berichtete, dass sie am folgenden Samstag alle zur Beerdigung seines Vaters gehen würden. Alle drehten sich zum kleinen Jungen um und starrten ihn an. Wieder fühlte er sich so alleine.

Dann kam die Beerdigung von Papa. Die Tradition wollte es, dass Männer und Frauen in der Kirche getrennt saßen. So kam es, dass er auf der rechten Seite in der ersten Reihe Platz nehmen musste, eine rote Rose in der Hand, gleich neben dem Sarg seines Vaters. Neben ihm, seine Onkel.

Seine Schwester und seine Mutter saßen mit den Tanten auf der linken Seite. Wieder war er alleine!

Den Weg zum Friedhof ging er hinter dem Leichenwagen, dicht gefolgt von seinen Onkel und diesen ganzen Männern, die seinen Vater gekannt hatten. Weit hinten kamen dann seine Mutter und seine Schwester mit den Tanten und alle anderen Frauen. Er konnte sie gar nicht sehen, so weit waren sie hinten. Wie viel Leute zu dieser Beerdigung gekommen waren, es war kaum zu glauben. Dabei war sein Vater doch ein ganz einfacher Mann gewesen…

Erst am Grab sah er seine Mutter wieder. Sie weinte, seine Schwester schrie und wollte in dieses unheimliche Loch hineinspringen… es war einfach schrecklich.

Diese Ereignisse prägen den kleinen Jungen so stark, dass er sie nie vergessen würde. Seine Schwester hatte da wohl mehr „Glück“: sie erzählte ihm nach vielen Jahren, dass sie sich an vieles gar nicht mehr erinnern könne. Heute ist auch die Mutter des kleinen Jungen verstorben, der natürlich inzwischen kein kleiner Junge mehr ist. Gesprochen haben sie über diese Nacht und die drei Tage danach, die er in solcher Einsamkeit und Verlassenheit verbracht hatte, eigentlich nie mehr!

Und die Moral von der Geschichte? Sprecht zu Euren Kindern, lasst sie teilhaben an Eurem Leben! Der Sie können nicht wirklich wissen, was sie über die Ereignisse in ihrem Leben denken und wie sie sie „alleine“ verarbeiten…

Liebe Grüße
Ihr André Leyens